Die Orgel der Evangelisch-reformierten Gemeinde

 

Orgel während der Reparatur

Die Orgel während der Reparatur

 

            Die Orgel in neuer Schönheit

           Die Orgel in neuer Schönheit

 

 

 

 

Die Winzer-Orgel der Evangelisch-reformierten Gemeinde in Bützow

Die Orgel der evangelisch-reformierten Gemeinde in Bützow wurde 1862 von dem Orgelbaumeister Friedrich Wilhelm Winzer aus Wismar (geb. 8.3.1811, gest. 2.3.1886) gebaut.

Friedrich Wilhelm Winzer hat im Laufe seines Lebens 39 Orgeln gebaut, die bedeutendste davon war wahrscheinlich die (zerstörte) Orgel der Jacobikirche in Rostock mit drei Manualen und 39 Registern. Von den 39 von Winzer gebauten Orgeln sind bis heute 27 erhalten.

Die Winzer-Orgel in Bützow war mit sieben Registern (und zunächst einmal ohne elektrisches Gebläse) sparsam aufgebaut, aber lange Zeit blieben ihr Reparaturen und Umbauten erspart, woraus man schließen kann, daß die handwerkliche Ausführung sehr gut war. Ein elektrisches Gebläse wurde Anfang des 20. Jahrhunderts eingebaut.

Die Orgel ist auf der Mitte der Empore aufgebaut; sie hat folgende Register:

Manual:
            Bordun 16´
            Principal 8´
            Viola da Gamba 8´
            cantus firmus 8´
            Hohlflöte 8´
            Octave 4´
Pedal:
            Subbaß 16´

Eine Besonderheit ist das Register cantus firmus; es koppelt, laienhaft ausgedrückt, das Register Viola da Gamba mit dem eine Oktave tiefer erklingenden Bordun, wodurch der Gemeindegesang nachgeahmt wird.

Die Orgel entging im Jahre 1917 durch einen glücklichen Zufall dem Schicksal, daß die Zinnpfeifen des Orgelprospekts konfisziert und als kriegswichtiger Rohstoff eingeschmolzen wurden. Damit war sie im Jahr 1955, den Wirren des zweiten Weltkrieges zum Trotz, noch weitgehend im originalen Zustand, mit einer wichtigen Ausnahme: inzwischen war ihr, wie oben erwähnt, ein elektrisches Gebläse hinzugefügt worden.

Schwer beschädigt wurde die Orgel erst kurz nach der Wende. Im Vorfeld war das Kirchengebäude im Ellernbusch – möglicherweise auf Betreiben daran interessierter Kreise – in einen Zustand gebracht worden, der einen schnellen Verfall des Gebäudes durch Wind und Wetter sowie ein Eindringen Unbefugter leicht ermöglichte. Kurz nach der Wiedervereinigung drangen unbekannte Kriminelle (anders kann man solche Leute kaum bezeichnen) in die Kirche ein und zerstörten viele Teile der Mechanik und fast alle Metallpfeifen. Die Orgelpfeifen wurden aus der Orgel entfernt und zum Teil so schwer beschädigt, daß es, als sie aufgefunden wurden, fraglich war, ob sie wieder repariert werden könnten.

Diese Pfeifen wurden allerdings geborgen und auf dem Dachboden eingelagert. Wäre aber die Kirche nicht restauriert worden, dann wäre auch die Orgel verloren gewesen. Der Architekt, der die Restaurierung der Kirche geleitet hatte, Dipl.-Ing Hartmut Böhnke, erwähnte einmal gegenüber dem Verfasser, die Kirche sei bei Beginn der Restaurierungsarbeiten in einem Zustand gewesen, daß nur wenige weitere Monate der Einwirkung von Wind und Wetter gereicht hätten, das Gebäude vollständig zu zerstören. Damit wäre auch die Orgel dahin gewesen.

Die Orgel war nun in einem desolaten Zustand, sie war auch nach der Restaurierung der Kirche nicht mehr spielbar. Eine Reparatur war zunächst aus finanziellen Gründen nicht mehr möglich.

Die auf dem Dachboden gelagerten Orgelpfeifen wurden nach dem Tornado am 5. Mai 2015 durch eine bemerkenswerte Aktion vor der endgültigen Zerstörung gerettet. Das Dach der Kirche war durch diesen Sturm schwer beschädigt worden, es mußte schnell gesichert werden. Nachts fiel der Pastorin der Gemeinde, Frau Oberlin, ein, daß die Arbeiter, die das Dach sichern sollten, die Orgelpfeifen, die noch auf dem Dachboden lagerten, wahrscheinlich nicht als erhaltenswert erkennen und einfach verschrotten würden. Am Morgen nach dem Tornado reiste eine Schulklasse aus Graal-Müritz an, die ursprünglich für eine Woche zum Pflanzen von Strandhafer an der Küste weilte, um bei Aufräum- und Rettungsarbeiten zu helfen.

Da der Dachboden der Kirche aber nicht sicher war, mußte die Bergung der Orgelpfeifen schnell vonstattengehen. Der Mann der Pastorin, Herr Schiller, hatte die Idee, eine Menschenkette zu bilden, in der die Pfeifen von Hand zu Hand weitergegeben werden konnten. So konnten die Pfeifen vom Dachboden der Kirche im Ellernbusch über zwei steile Treppen hinab, dann über die Straße und einen Hof bis zum Pfarrgebäude in der Pfaffenstraße transportiert werden.

Die Restauration der Orgel wurde von der Orgelbauwerkstatt Andreas Arnold aus Plau am See ausgeführt. Hierbei konnten auch die geretteten Pfeifen wiederhergestellt werden. Die für die Restaurierung notwendige Summe in Höhe 45.000,- € wurden durch eine habhafte Spende der Stiftung Orgelklang, weitere Spenden, Benefizkonzerte verschiedener Künstler und Sammelaktionen aufgebracht. Am 17. April 2016 konnte die Orgel erstmals seit langer Zeit wieder in einem Gottesdienst zum Klingen gebracht werden.

Die Orgel der evangelisch-reformierten Gemeinde in Bützow ist die einzige Orgel mit einem im Original erhaltenen Prospekt aus der Werkstatt Friedrich Wilhelm Winzers.